Ein „Stiefkind des Umweltschutzes“
stand am Mittwochabend im evangelischen Gemeindehaus von Altweilnau
im Mittelpunkt: Boden. Dr. Maren Heincke, Bodenkundlerin, Referentin
des Zentrums Gesellschaftliche Verantwortung der Evangelischen Kirche
in Hessen und Nassau, erläuterte den rund 50 Zuhörern auf Einladung
vom BUND Ortsverband Usingen/Neu-Anspach und der Umweltgruppe der
Lokalen Agenda 21 Weilrod Bedeutung und Gefährdung dessen, was wir
täglich mit Füßen treten.
„Böden sind wertvoll, komplex,
sensibel, lebenswichtig und darum schützenswert“, so Heincke.
Bereits 1972 sei in der europäischen Bodencharta Bedeutung und
Schutz von Böden niedergeschrieben worden. „Das Problem ist, vom
Wissen zum Handeln zu kommen“, mahnte die Bodenkundlerin an. Boden
habe vielfältige Funktionen, wie Nahrungsmittelproduktion,
Wasserreinigung, CO2-Speicherung,
Lebensraum für Pflanzen, Tiere und Mikroorganismen, Speicher für
Natur- und Kulturgeschichte aber eben auch Fläche für Wohnen,
Gewerbe und Infrastruktur. Und da der Anteil an hochproduktiven Böden
auf einer Weltkarte dargestellt verschwindend gering ist, komme dem
Erhalt dieser Standorte größte Bedeutung bei. „Der Run um Boden
und Wasser hat schon begonnen“, sagte die Referentin, gute Böden
würden bereits von Investoren aufgekauft. Und sie schlug einen Boden
von Mangelernährung und Übergewicht, über die
CO2-Speicherfähigkeit
von Ozeanen, Böden und Wäldern bis in zu Frauenrechten.
Jochen
Kramer, Mitglied des Landesvorstands des BUND Hessen, zeigte die
Positionen des BUND Hessen zu Flächenschutz, Regional- und
Stadtplanung auf. Aber zunächst ging er auf die Herausforderungen
des Klimawandels ein, der durch nicht erwartete und einberechnete
Faktoren wie das Auftauen von Permafrostböden und damit Freisetzung
von CO2
sowie die weltweiten Waldbrände noch schneller voranschreite.
Dadurch komme es verstärkt zur Wüstenbildung. So auch schon in
Teilen Brandenburgs. Was wiederum landwirtschaftlich nutzbare Flächen
betreffe. Und hier in Frankfurt wolle man beste Böden in Bauland
umwandeln. Oder weitere Logistik-Zentren auf Ackerflächen bauen. Bei
diesem Thema seien sich der Hessische Bauernverband und der BUND
einig: Der Flächenverbrauch müsse möglichst schnell auf Netto Null
sinken. Aber hier seien die Ziele der Bundesregierung kürzlich
wieder abgeschwächt worden. So sei auch eine Dichte von 25
Wohneinheiten je Hektar, wie sie hier im Wohnbaugebiet Neuerborn in
Altweilnau angestrebt werde „überholt“. „Man müsste bei 40
Wohneinheiten je Hektar anfangen“, so Kramer.
Jochen Kramer (von links), Dr. Maren Heincke, Eva Holdefer, Marlis Teubert und Friederike Schulze plädieren für verstärkten Bodenschutz. |
Auch Friederike
Schulze, Vorsitzende des BUND-Ortsverbandes Usingen/Neu-Anspach
teilte diese Ansicht. Die geringe Bebauungsdichte dieser
„Trabantenstadt“ sei nicht mehr zeitgemäß. Vorrangig sei die
Nutzung von Baulücken sowie die Innenverdichtung, da dann keine
neuen Straßen nötig seien. „Jeder von uns muss die Komfortzone
verlassen“, betonte sie, Wohnzimmer von 50 Quadratmetern Größe
seien inakzeptabel. Aus den Reihen der Zuhörer, zu denen viele
Altweilnauer zählten, aber auch einige Vertreter der Landwirtschaft
sowie zwei Mitglieder des Weilroder Gemeindevorstands, kamen
interessierte Rückfragen und Anregungen. So regte Hans Krieg
beispielsweise an, nur noch Null-Energiehäuser und
Mehrgenerationenhäuser zu bauen. Aber dazu gebe es keine Vorgaben im
Bebauungsplanentwurf. Marlis Teubert, Vorsitzende der Umweltgruppe,
wies darauf hin, dass der Bebauungsplan „Neuerborn“ vom 27.
Januar bis zum 28. Februar offenliegt, so dass jeder seine Anregungen
und Bedenken vorbringen kann. Dazu betonte Teubert, dass die ursprüngliche Planung nur einen Bruchteil der jetzt vorgelegten Planung umfasst habe.
Das rot schraffierte Gebiet umfasst die Fläche, für die ursprünglich ein Baugebiet geplant wurde. |