Die
europäische Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) schreibt für
Fließgewässer einen guten ökologischen Zustand vor. Schon im Jahr
2000 trat sie in Kraft. Bis 2015 sollten die Maßnahmen an den
Flüssen und Bächen durchgeführt sein. Dann wurde bis 2021
verlängert. Und jetzt noch einmal bis 2027. Die Gemeinde Weilrod hat
schon viele Maßnahmen an Weil, Sattelbach und Laubach umgesetzt.
Darauf wies Bürgermeister Götz Esser bei der Veranstaltung der
Umweltgruppe der Lokalen Agenda 21 Weilrod am Mittwochabend unter dem
Motto „Die Zukunft unserer Bäche - Entwässerungsgraben oder
renaturierter Bach?“ im Dorfgemeinschaftshaus von Riedelbach hin.
Und auch in den nächsten Jahren bis 2027 will die Gemeinde insgesamt
360.000 € (für Maßnahmen der WRRL: 2024
50.000,- €,
2025
70.000,- €,
2026
70.000,- €,
2027
70.000,- €,
für Grundwasserneubildung
2024 50.000,- €,
für
Maßnahmen aus Klimaschutzkonzept 2024 50.000,-
€)
für
die Renaturierung oder auch Neuanlage von Gewässern investieren.
Dazu gehört unter anderem die Entfernung von Wanderhindernissen wie
das Wehr im Bereich der Einmündung des Eichelbachs in die Weil, oder
die Neuanlage von Himmelsteichen. Hinzu
komme der Umbau des Durchlassbauwerks für den Niedgesbach im Bereich
eines Autohauses in Finsternthal.
Die Umweltgruppe hatte dazu auch
mehrere
Fachleute eingeladen. Dezernatsleiterin Michaela Tremper vom Dezernat
Oberflächenwässer beim Regierungspräsidium Darmstadt, Abteilung
Umwelt in Wiesbaden, ging kurz auf den „Paradigmenwechsel“ ein,
der damals mit der WRRL stattgefunden habe. Bis dahin habe der Nutzen
der Gewässer für den Menschen im Vordergrund gestanden. Seitdem
werde die ökologische Gewässerfunktion in den Vordergrund gestellt.
Lukas Piske aus ihrem Dezernat stellte kurz das
Gewässerentwicklungskonzept vor, in dem die unterschiedlichen
Maßnahmen aufgelistet sind. „Wir müssen dabei aber alle Leute mit
ins Boot holen, zum Beispiel Kompromisse beim Hochwasserschutz
eingehen“, betonte er. „Ein
Bach ist so lebendig, wie man ihn lässt“, so Piske. Dabei „nage“
das Gewässer an seinem Bett und an Wanderhindernissen, die manchmal
auch umflossen würden. Thomas
Golla,
Leiter des Fachbereichs
Wasser- und Bodenschutz beim Hochtaunuskreis,
ging auf die Gewässerunterhaltung ein: „Die Sicherung eines
ordnungsgemäßen Wasserabflusses bedeutet nicht das Räumen und
Auskehren des Bachbettes“. Bei der Renaturierung von Gewässern
werde möglichst ein Planfeststellungsverfahren vermieden, manchmal
könne sogar auf ein Plangenehmigungsverfahren verzichtet werden.
Denn viele kleinere Maßnahmen gehörten zur Unterhaltung der
Fließgewässer dazu, wie beispielsweise das Entfernen der Stückung
und das Einbringen von Störsteinen oder Totholz. Als Praktiker war
Gottfried Lehr, Büro für Gewässerökologie, Bad Vilbel, angereist.
Er zeigte Beispiele aus seiner Praxis. „Ein Fluss heißt so, weil
er fließt und nicht eine Kette von Stauseen ist“, bedauerte er die
frühere Anlage von zahlreichen Stauwehren in Flüssen und Bächen.
Außerdem befürwortete er die Beschattung von Gewässern, die
dadurch einige Grad kühler seien als besonnte Fließgewässer. Wenn
ein Gewässer zu warm sei, komme es zu Fischsterben und
Algenentwicklung. Gewässerausbau
heute bedeute, durch Initialmaßnahmen die Selbstheilungskräfte der
Natur in Gang zu setzen. Dabei sei Tiefenerosion, die man möglichst
vermeiden wolle, ein Gegenspieler zur Breitenerosion, für die einem
Gewässer allerdings mehr Platz eingeräumt werden müsse. Dabei
müsse man Eigendynamik zulassen. Dazu gehöre auch, dass Biber ihre
Dämme bauen, was sie vor ihrer Ausrottung in Hessen immer gemacht
hätten. Der große Nager trage auch dazu bei, Auwälder zu
verjüngen. „Wir müssen lernen in Systemen zu denken“, betonte
er und sich nicht auf eine Tierart zu konzentrieren.
In der anschließenden Diskussion, die von Thomas Götz von der
Umweltgruppe moderiert wurde, beteiligten sich zahlreiche der rund 50
Zuhörer. Hierbei kam auch immer wieder das Trockenfallen der Weil
zur Sprache, für das auch Tremper keine Patentlösung hatte, da hier
zu viele Faktoren (Geologie,
Grundwasserentnahmen, Drainagen, häufige Kreuzung der Weil durch den
Abwasserkanal, Undichtigkeiten im Abwasserkanal u.a.m.)
zusammenkämen.
Auch das Für und Wider von Wehren wurde andiskutiert. Denn gerade
beim Trockenfallen könnten sich hier Rückzugsgebiete bilden.
Andererseits
sorgen Wehre für eine Entmischung der Geschiebe, der
Sauerstoffgehalt sinkt ab, Kiesbänke, die Kinderstuben vieler Fische
gebe es nicht mehr, die Temperatur steige. Aber
auch die diffusen Einträge aus der Landwirtschaft an
Pflanzenschutzmitteln und Feinsedimenten kamen zur Sprache, die sich
dann besonders in Stillwasserbereichen ablagern und dort zu Problemen
führen. Hier
könnten Gewässerrandstreifen sinnvoll sein, ergänzte Golla. Hier
könne natürliche Sukzession stattfinden. Allerdings müssten sie
entweder angekauft werden oder eine Entschädigung gezahlt werden
oder höhere Aufwendungen für die Pflege vergütet werden. Tremper
gab den Tipp, doch mal in den Katasterkarten nach den Breiten der
Gewässerparzellen zu schauen, die oft breiter seien, als das
Gewässer selbst.(sn)
Weiterführende
Informationen:
www.flussgebiete.hessen.de
https://wrrl.hessen.de
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Lukas Piske, Gottfried Lehr, Michaela Tremper, Thomas Golla und Bürgermeister Götz Esser standen Rede und Antwort zum Thema Gewässer
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